Mystisch anmutende Sounds vermischen sich mit weichen, elektronischen Beats und Bucheggers markantem Gesang, der bewusst im breiten Dialekt der Salzburger Mundart vorgetragen wird. Sie erzählt in zwölf Kapiteln von ihrem Aufwachsen und Reifen im heimatlichen Innergebirg und verbindet in den Texten die unterschiedlichen Lebensphilosophien zwischen Provinz und Stadt. Es geht um das Aufbrechen von Vorurteilen, das Einreißen von unsichtbaren Grenzen und um den Wunsch, gängige Stereotype zu widerlegen, um ein kulturelles und menschliches Miteinander zu proklamieren. Der nachdenkliche Opener „Fisch“ behandelt das allumfassende Thema Pflege aus der familiären Perspektive und zäumt das Thema von ungewöhnlichen Seiten auf. Wo bleiben Dank und Anerkennung für die Tanten, Cousinen und Großmütter, auf deren Schultern schwere Lasten liegen? Und ist es in Ordnung, insgeheim auf den Tod zu hoffen, weil der Geist die darbende menschliche Hülle des Sterbenden längst verlassen hat?
Buchegger stellt sich existenziellen Fragen und aktuellen Themen, die sie aus eigenen Beobachtungen und Erlebnissen schnitzt, um sie der breiten Allgemeinheit näherzubringen. In „Kim vorbei“ jodelt die Künstlerin zu psychedelischen Vibes, bei „Sches Lem“ wagt sie ein finales Crescendo mit Punk-Appeal, im Titelsong „Windschatten“ ziehen liturgisch anmutende Klänge einen sanften elektronischen Mantel über den Korpus des Liedes: „I wü all deine Narben und deine Kanten segn, i möcht mei Hand auf deine Falten legen. I möcht deine schiachsten Gsichter segn, i möcht mi in dein Windschatten stellen“. Die Salzburgerin plädiert bewusst für die unbequemen Seiten in menschlichen Beziehungen. „Man versucht im Leben immer die Schokoladenseite zu zeigen und hat dadurch im Leben oft viele Vorteile. Die spannenden Geschichten stecken aber woanders. Man findet sie in den hässlichen Seiten, die jeder so gut wie möglich zu verstecken versucht. Es braucht sehr viel Überwindung, die eigenen hässlichen Seiten zu zeigen und dazu zu stehen.“
Mit einer spielerischen Selbstverständlichkeit pflügt Buchegger durch die Natur und Kultur ihrer Heimat Abtenau. So geht der Song „Lackschuh“ mit einer düsteren Melodie auf die schroffe Körperlichkeit des rauen Alltags im Tennengau ein. Schwielen an den Händen, gerissene Haut, Arbeit am Land. Ein Bild, das auch „Deine Händ“ vermittelt, in dem die Künstlerin das Jodel-Element mit einer futuristischen Kate-Bush-Ästhetik vermengt und ihrem Vater ein lyrisches Denkmal baut. „Zvü“ erzählt von schrecklichen Erfahrungen und oberflächlichen Bewertungen des Patriarchats, mit denen sich Frauen im Kulturbereich noch immer auseinandersetzen müssen. Der mit markant in den Vordergrund gehobener Gesangsstimme präsentierte, sehr intime Song „Zaun“ dreht sich um beeinträchtigte Kinder und der Tatsache, mit wie wenig Empathie und Geduld die Gesellschaft auf sie reagiert. Eine Geschichtsstunde, die aufwühlt und zum Nachdenken anregt.
Buchegger bearbeitet auf „Windschatten“ bewusst die kantigeren, ungemütlichen Themen, die in der Öffentlichkeit gerne unter den Teppich gekehrt werden. Sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund und gräbt tief in jene Bereiche, die man im Alltag gerne ausblendet und beiseiteschiebt. Das kurze, aber umso prägnantere „Vaterland“ stellt besonders ungemütliche Charaktereigenschaften in den Vordergrund. Es ist keine Abrechnung mit der Heimat, sondern eine profunde und gut argumentierte Kritik am missbräuchlichen Alkoholverhalten, an ungesund-patriotischen Gruppendynamiken und an der Scheinmoral im tief verankerten, nicht hinterfragten Katholizismus. „Unser Vaterland kniet vorm Altar, foit die Händ und mocht si kloa, des musst im Vaterland so toa“. Für die Taten in unserem Leben sind wir selbst verantwortlich: „Es gibt kan Gott, der dir dei Schuld nimmt“. Selbstverantwortung, Lokalkolorit und Emanzipation mit Salzburger Jodelkunst, alpenländischem Hackbrett und einer neuen, inklusiven Volkskultur – das macht „Windschatten“ zu einem ganz neuen Kapitel in der heimischen Musiklandschaft. Ein Kapitel, das gerne den schwierigen Weg geht.
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